Ein Tag wie jeder Andere

Eigentlich war heute garnix los. Vielleicht mit Ausnahme des Hundebesitzers der uns aus dem Mittagsschlaf gerissen hat.


Nach einer angenehm ruhigen Nacht waren wir tatsächlich schon um 9 Uhr unterwegs. In den folgenden 2 Stunden wurden dann auch 5 Schleusen und zwei Meilen auf nüchternen Magen gemacht. Zwei Meilen deswegen, da der Südausgang von Stoke das klassische Durcheinander von Schnellstrassenbeton und Fabrikbeton ist. Kein rechter Platz, an dem sich der Hund vors Boot legen kann wie er es so gerne hat. Von der Temperatur her hätte sich ja der Schatten einer der Schnellstraßenbrücken angeboten. Sogar mit Pollern zum Anlegen, nur brettern da ja die Radfahrer durch wie verrückt. Also halt nach der letzten Schleuse noch ungefähr eine Meile weiter bis ein richtig idyllischer Abschnitt kam. Die Ruinen auf der einen Seite waren komplett überwuchert, und auf der anderen trennten dichte große Bäume den parkähnlichen Streifen von einer Baugrube für eine Fabrik sowie einer weiteren Schnellstraße.

Frühstück war gut und reichhatig, und es stellte sich auch das passende Suppenkoma ein. Also für eine halbe Stunde oder so ab in die Heia. Warm wars, ein leichter Wind ging und die Vögel zwitschern. Da fallt das wegschlummern nicht schwer. Auch das Max gebellt hat (*1) war jetzt nicht wirklich schlafstörend. Erst eine sehr schrille Männerstimme die ‚heeellloo, Heelloo‘ schrie sorgte dafür, dass wir senkrecht im Bett standen. Hat Max jemand angefallen oder was? Als ich in die Hose gehüpft war und nachschaute, stand da ein wedelnder, freundlich kuckender Max vor dem Boot, und auf dem Weg ein Pärchen mit zwei großen(!) Hunden die diese ganz panisch festhielten und vor der Bestie da am Boot beschützten – oder sowas. Die Hunde waren deutlich größer als der Max und offensichtlich nur an ein bisschen beschnuppern interessiert, aber sowas ist in England scheinbar unschicklich. Ein kurzes ‚Max‘ und selbiger hüpfte ganz brav aufs Boot und betrachtete von da aus verwundert die Prozession auf dem Treidelpfad.

Hab ich schon mal gesagt, das Hundebesitzer in England nicht nur häufig, sondern auch sehr seltsam sind? Nicht nur, dass die Hundsdreck-aufsammeln Kampagnen hier orwellsche Dimensionen angenommen haben, nein auch der scheinbar landesweite Leinenzwang führt dazu, dass die Hunde eher erwürgt werden, als ausgeführt. Ich habe dutzende Hunde gesehen, die bei der kleinsten Bewegung brutal zurückgerissen wurden. Und unter den buchstäblich hunderten Hunden (und Herrchen) die ich beobachten konnte waren vielleicht drei oder vier mit Rolleinen. Freilaufen war sowieso verpönt. Selbst wenn die Leine in der Stadt vorgeschrieben ist, am Kanal ist doch wirklich genug Platz, als dass ein Hund mal ein paar Meter alleine laufen kann, oder? Nee, richtig freilaufende Hunde gab es nicht mehr als eine Hand voll in den 3 Wochen. Ja, ein paar mehr wurden von der Leine gelassen, aber sowie auch nur in weiter Entfernung ein Mensch zu sehen war wieder an diese schrecklichen kurzen Dinger gehängt. Kein Wunder, wenn da auch die gutmütigste Rasse zum neurotischen Kampfhund wird.

Nun ja, der Mittagsschlaf war versaut. Also noch ein Tässchen Tee und es ging weiter. Noch so 8 Meilen und 5 Schleusen bis zu unserem Nachtplatz am Rand von Stone. Die Schleusen erwiesen sich als total überfüllt. Gerade mal, dass wir keine Wasserpolizei für die Verkehrsregelung brauchten. Obendrein hatten zwei davon Probleme mit dem Wasserzulauf, was zu einer extrem langsamen Füllung führte und die geplante Fahrzeit von 3 Stunden auf reale Vier verlängerte. Nach der letzten Schleuse gings aber dann rechts ran und Abendessen wurde gemacht. heute gabs alles was noch im Kühlschrank war in einem Topf mit der letzten Kartoffel. Die war dafür ein wahres Monsterexemplar Typ „Eine Kartoffel pro Familie und Tag“ :))

Wie um das Hundethema abzuschließen ging beim Abendessen ein Hundebesitzer samt mittelgroßem Hund gegenüber vorbei. Den Hund an einer Leine die sichtlich extra verkürzt war, so dass kaum ein Meter übrig blieb. Auch ohne das kleinste bisschen Privatsphäre, erleichterte sich ein Hund irgendwann. in diesem Fall genau vor unserem Fenster (*2). Was folgte war ein tanz mit dem Plastikbeutel, der es mich auf schlimmste bereuen ließ die Aktion nicht gefilmt zu haben. In mehreren Drehungen von Mann und Hund wurde das Korpus Delikti aufgesammelt, gefolgt von, ungelogen, zwei weiteren Drehungen von Mann, Hund, Leine und Beutel um einen imaginären Punkt bei der der Beutel einmal sogar um die Leine geknotet wurde, was dann aber wieder gelöst werden musste. Und alles mit dem Hund an der extra kurzen Leine. In Mr.Bean Filmen weiß man nicht ob man Lachen oder weiterschalten soll, hier wars live und real. Und weiterzappen geht nicht.

Auf dem Weg zum Pub gabs dann nochmal Chaos. Erst sind wir in die Falsche Richtung gelaufen, dann wollte Christine nicht mehr, und hat mich um die nächste Kurve vorgeschickt, aber als ich zurückkam war sie nicht mehr da. Eine Meile später sehe ich sie auf einem Feld, sie reagiert aber nicht auf mein Pfeifen und Rufen, also sitz ich jetzt alleine im Pub, Trink mein Saddle Tank Amber Ale und tippe das hier.

Bilanz Tag 21: 10 Schleusen, 10,5 Meilen und ein gestörter Mittagsschlaf.

*1 – Eh ein Wunder, das Bellen. Wir haben den Hund jetzt gut eineinhalb Jahre und es hat über ein halbes Jahr gedauert bis er ein erstes, unterdrücktes, bellänliches Geräusch, sowas wie Wuwuwu, von sich gegeben hat. Was eine Erlösung, wir dachten schon der Hund wär stumm. Im folgenden halben Jahr wurde die Stimme fester, und es kam auch endlich bei Geräuschen vor der Tür zum Einsatz. Recht neu ist es aber, dass aus dem Wuwuwu ein richtiges und klares Bellen geworden ist. Gut, jetzt nevts ab und zu mit welcher Vehemenz er seine Stimme einsetzt, aber froh bin ich trotzdem.
*2 – Im Kanalboot sitzen ist wie Kino.