Stopage Ahead

Es gibt nix besseres für den Blutdruck als ein Arschloch am Morgen. Und genau so einen hatten wir in dem Boot, das hinter uns für die Nacht festgemacht hatte.


Als wir gegen 9 Uhr zur Fahrt bereit sind, will das Boot nicht so recht. Oder genauer gesagt, der Motor ist willig, der Wind aber stärker. Aber der Reihe nach. Wir liegen in einer leichten Linkskurve vor dem großen Becken in Macclesfield auf der linken Seite. Normalerweise ganz praktisch zum Ablegen. Einfach leicht hinten abstoßen und geradeaus raus. Dummerweise kommt ein deutlicher Wind von vorne rechts. Bei Geradeausfahrt sorgt der bestens dafür, dass man wieder am Kai landet. Wenn man nach rechts steuert um mit dem Hintern am Kai entlangschrappend in die Fahrrinne zu kommen geht auch nicht, da die Leistung nicht für Schrappen und Bewegung reicht. Zumindest wenn man nicht wenn man nicht gleichzeitig das ganze Hafenbecken wegschwemmen will. Also, Stange genommen, nach vorne gewetzt und das Boot mal so weit wie geht in die Fahrrinne (und den Wind) drehen. Jetzt nach hinten, und den Bootsarsch mit einem gekonnten Manöver vom Kai wegbewegen um dann schön gerade in der Fahrrinne zu liegen.

So war der Plan. Nur hat der (*1,*2) hinter uns in aller Eile (und unserem Windschatten) abgelegt und wollte mit kräfig Gas noch schnell an uns vorbei. Das Alleine wär schonmal was die Engländer als ‚rude‘ bezeichnen, wartet man doch als Zweiter erstmal ab – oder wenn man es schon so saueilig hat, dann fragt man einfach ob man nicht vor dürfe. Hatt er natürlich gerne dürfen. So wurde aber eine großere Peinlichkeit draus, da er, einmal aus unserem Windschatten, auch merklich nach links gedrückt wurde, auf uns drauf. Und wenn dann mal die Bootsmitte (um die drehen sich die Kähne) vorbei ist, dann hilft auch kein Gegenlenken mehr. Als Folge schrappte er die ganze Bootslaenge an uns lang, sammt den verzweifelten Versuchen sich von unserem Boot abzustoßen. Dazwischen der lahme Versuch das Manöver damit zu erklären, dass er dachte wir wären auf Grund gelaufen.

Jo, genau, gemäes dieser Schlipsträgerlogik ist die beste Massnahme, wenn jemand auf Grund gelaufen ist, ist paralell zu fahren und den, der auf Grund gelaufen ist noch weiter in die Sandbank schieben. Ja sind wir hier beim Rennen, oder beim Wrestling? Anschließend hat er weiter kräftig Gas gegeben, mehr als überhaupt im Kanal angebracht, und deutlich mehr als in der Nähe von anderen Booten (wie gesagt, war im Hafenbecken). In der Folge hat er scheinbar versucht mit aller Gewalt Abstand zu gewinnen, unter anderem daran sichtbar, dass Wehre, deren Kante so 5cm ueber dem Wasserspiegel lag nach seiner Durchfahrt sichtbar Wasser abgelassen haben. Hat aber auf den nachten 3 Meilen nur so 500m gebracht, und bei der nächsten Drehbrücke hatten wir ihn. Er war schon durch, wir noch so 100m weg, und man glaubt es nicht, die Brücke geht zu. Danke schön.

So weniger als einen Kilometer vor den Bosley Schleusen haben wir dann fürs Morgenessen angehalten. Gut wars, also noch ein halbes Stündchen an der Matratze gehorcht. Der Tag wurde immer schöner und ausgeschlagen waren wir jetzt auch. Was sollte da noch schiefgehen? Als wir also gerade beim Ablegen waren, kommt uns der nette Herr vom Vormittag mit seinem Boot endgegen und ruft uns im Vorbeifahren zu, dass die Schleusen kaputt und bis mindestens Freitag gesperrt sind. Aha. Hmm, aber wer glaubt sowas schon. Wir parken das Boot mal vorsichtshalber am Ende der hier dauerhaft Liegenden (*3) und laufen die letzten 500m. Und ja, es empfängt uns so ein Plastikabsperrzaun von der Rolle mit einem netten Schild

BOSLEY FLIGHT CLOSED FOR
REPAIR
PLEASE WAIT ABOVE UNTIL
FURTHER NOTICE

Dabei stehen zwei nette Freiwillige vom CRT die uns erzählen, dass irgendwann in der Nacht vom Lock 12 (das unterste) der Balken eines Schleusentors gebrochen ist. Das letzte Boot ist um 22 Uhr durchgekommen, danach wars vorbei. Und wir sollten uns schon mal auf ein Warten bis Freitag einstellen, wenn nicht länger. Bootsabgabe war für Freitag 9 Uhr vorgesehen. Von hier bis Stone sind es so rund 27 Meilen und 26 Schleusen. Das schafft man nicht so ganz in Nullzeit. Die Überlegungen was wir machen wenn wir 1-2 Tage zu früh zuruck sind können wir erstmal vergessen. Pläne machen klappt in dem Urlaub eh nicht.

Also, SMS an den Vermieter. Wie zu erwarten, keine Reaktion. Eine Stunde später angerufen und auf der Mailbox gelandet. Alles nochmal erklärt. Dann kam aber auch relativ zügig ein Rückruf, der aber (wie auch zu erwarten) mit Verstündigungsproblemen. Ich hatte 5 Striche, also kanns nicht so ganz an meinem Ende gelegen haben. Quntintessenz auf Bairisch (*4) ‚Ja mei, da kömma auch nix machen‘. Wenn wir wirklich wollten könnten wir es auch über den Bridgewaterkanal probieren, und ja, klar das das in den verbliebenen Tagen nicht geht, aber mei. Eine Stunde und drei Telephonate später schälte sich heraus, dass der Schaden nicht so überragend ist, und es für wartende Boote ein Fenster geben wird an dem bereits morgen wieder eine Durchfahrt mit Unterstützung möglich ist. Passt.

Auf diesem Bild ist ein Hund versteckt :)Praktischer Weise gibt es direkt an Lock 1 einen Servicepunkt mit allem drum und dran. Sogar eine Waschmaschine und ein Trockner ist da. Perfekt, frische Wäsche waer eine super Idee. Nur dummerweise brauchts dafür eine ‚Digicard‘ mit irgendwelchen Einheiten drauf. Und die wird hier natürlich nicht verkauft. Einer der Helfer erklärt, dass man sowas von den Verleihern bekommt – und natürlich in den meisten Boatyards. Einfach mal die 5 Meilen nach Macclesfied zuruck fahren. Hmpf. Irgendwie dreh ich da die Unterhosen lieber zum zweiten mal um. Also freuen wir uns lieber über den 2. Platz in der Warteschlange (*5) für Morgen und machen ein gutes Abendessen. Dazu gibt es dann noch ein paar interessante Gespräche, unter anderem mit einem 81 Jährigen, der zusammen mit seiner Frau und seinem noch älteren Bruder seit 30 Jahren auf den Kanälen Urlaub macht. Er selbst hat als Englischlehrer bei der Bundeswehr gearbeitet, und im Studium in Birmingham am Harwell Decatron ein Programm geschrieben. Als Musiklehrer! Kanalfahren bildet.

Zum Abendessen gibts dann die volle Action-Dröhnung – mit etwa gleich spannendem BBC Hörspiel aus dem Radio.

Bilanz Tag 18: Nicht ganz 5 Meilen, eine Zugbrücke und Warten auf Morgen.

*1 – Typ Schlipsträger ausgezehrt, Mitte 50 und ohne Aussicht auf einen Vorstandsposten.
*2 – Nerd-Witz: Der Bootsname war Elbereth
*3 – Mooringplätze, als dauerhafte Liegeplätze fürs eigene Boot finden ist eine Aufgabe. Entweder man mietet sich in einer Marina ein (selten was frei und nicht billig), oder man fährt dauerhaft (‚Continous Cruising‘), darf dann aber nirgends länger als 14 Tage bleiben. Schlecht wenn man noch ein Leben abseits des Bootes hat. Als dritte Möglichkeit kann man dann noch eine Lizenz für einen der Long-Term-Mooring-Plätze vom CRT erwerben. Das kostet aber je nach Gegend unterschiedlich, aber im Allgemeinen nicht viel weniger, als wenn man einen Platz in einer Marina mietet. Als grobe Richtlinie gilt dass je näher an einer Großstadt, oder einer beliebten Gegend so in Platz ist, desdo teurer. Bosley Locks sind aber total ab von allem. Da ist wie noch zu merken war ~5 Meilen in jede Richtung garnix. Also exakt ein Platz für Leute die kein Geld ausgeben wollen/können. Entsprechend gut belegt sind die hier ausgewiesenen Plätze.
*4 – Irgendwie kann ich in der Gegend viele Ähnlichkeiten mit der bairischen ‚Passt Scho‘ und ‚Blos keine Hektik‘ Grundeinstellung feststellen. Die Vermieterfamilie ist auf jeden Fall extrem relaxed.
*5 – Warteschlangen sind etwas das in Engand toternst genommen wird. Da verleiht man eher die Schwester, als irgendwas am der Reihenfolge zu ändern, oder gar als ‚Jumper‘ aufzufallen. Jemand, der später gekommen ist rennt vorher zu jedem Boot und erklärt was er vor hat und warum er vorbei faehrt und dass er sich auf keinen Fall vordrängeln will, nur weil der Wasserplatz direkt an der Schleuse ist. Natürlich will er auch wieder zurückfahren (was ein riesiger Aufwand ist), was jeder Gefragte natürlich verneint, da das Unsinn sei, und man sich über die Abfahrtreihenfolge ja einig sei. Ehrlich, schöner könnte es in keinem Asterix-Comic gezeichnet werden, wie es hier live zugeht.